Ein unaufhaltbarer Kinderwunsch

Niemand hätte jemals den Ozean überquert, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, bei Sturm das Schiff zu verlassen. 

Charles F. Kettering

Nach solch einem tragischen Unglück fällt die Entscheidung oft schwer wieder Fahrt aufzunehmen. Es ist eine sehr individuelle, sehr persönlich Wahl. Viele Betroffene brauchen mehrere Monate, um sich von einer Fehlgeburt zu erholen. Auch wenn bereits physisch alle Wogen geglättet sind ist die Seele noch verletzt und braucht Zeit, um zu heilen und zu wachsen. Zu wachsen, weil die Gewissheit sie zerreißen könnte. Die Gewissheit, dass erneut ein wütender Sturm aufkommen kann, der unser Schiff ohnmächtig in eine andere Richtung treiben lässt.

Doch dann kommt ein Zeitpunkt, an dem unsere Sehnsucht größer ist, als unsere Ängste. Was wäre, wenn wir daheim blieben, kein Risiko mehr eingingen? Unsere Augen richten sich gen Horizont, der uns die Welt eröffnet; wenn wir uns ihr öffnen.

Kein Sturm, kein Gewitter kann unser Schiff am sicheren Hafen halten, wenn das Verlangen nach einer Familie in unseren Köpfen wütet. Auch nicht nach einer Fehlgeburt. Wie aber erreicht man dieses Verlangen, wieder los zu segeln und wie viel Zeit sollte man sich tatsächlich nehmen?

Vielleicht sollten wir uns zunächst fragen: Wie wird es sich anfühlen, wieder offen zu sein? Und welche Hürden müssen wir wie überwunden haben, um unseren sicheren Hafen zu verlassen? Dann sehen wir vielleicht ganz andere, versteckte Gedanken und Gefühle, die wir nicht erwartet hätten und die uns auf dem Weg begleiten, bis wir wieder segeln können.

Wenn die Sehnsucht größer ist als all diese hemmenden Gedanken und Gefühle und wir diese erkannt und verarbeitet haben wird unser Schiff umso stärker und schneller wieder auf See gehen, den Sternen folgen, was auch kommen mag.

Und manchmal entscheiden wir uns gegen einen erneuten Versuch, weil unser Schiff stark beschädigt ist oder weil wir einen anderen Weg gehen wollen. Und trotzdem können wir das Meer besuchen und den Horizont unserer damaligen Wünsche bewundern.

Es gibt ein erfülltes Leben trotz vieler unerfüllter Wünsche.

Dietrich Bonhoeffer

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Happy New Year – ein Neubeginn

So weiß und still unsere Landschaften sich dem Winter ergeben, so geben wir uns unseren Träumen und Hoffnungen im Neuen Jahr hin. Ein beinahe beruhigendes Treiben, welches durch unsere erstarrten Köpfe und verschlossenen Herzen zieht.

Loslassen, Neubeginn, Hoffnung. Große Worte, die, um sie wirklich und innig fühlen zu können, einiges an emotionaler Arbeit bedeuten. So haben wir getrauert, verziehen und uns verabschiedet. Aber niemals verdrängt oder vergessen. Nur so schlägt das zarte Pflänzchen des Neubeginns Wurzeln, um mit Kraft der Hoffnung erneut erblühen zu können.

Es vergingen einige Wochen der Trauer, bis sie bereit war weiter zu leben. Auch jetzt noch, in wenigen empfindlichen Momenten, schweben die mittlerweile gezähmten Geister der Vergangenheit durch ihren Kopf. Sie sind nur noch Erinnerungen.

Doch neben all den Geschenken unter dem Weihnachtsbaum gab es immer noch diesen einen, unbezahlbaren Wunsch nach einer gemeinsamen Familie. Fünf Wochen nach dem traurigen Ereignis waren sie wieder bereit.

Es war ein verhältnismäßig warmer Dezemberfreitag, an dem sie sich das erste Mal nach diesem schrecklichen Vorfall wieder berührten. Sehr vorsichtig, beinahe jungfräulich, war es der erste Hoffnungsschimmer in diesem Winter. Es folgten weitere Tage mit Stunden tiefster Liebe und Zuneigung.

Sie waren ohne Erwartungen, ohne Zweifel oder Sorgen. Nach den Feiertagen folgte ein neues Jahr. Ein neues Jahr, neue Hoffnung, neues Glück. Denn letzteres, so waren sie sich einig, spielte bereits beim ersten Versuch eine große Rolle.

Und vielleicht war es ihr Mut einen Neubeginn zu wagen, weiß und rein wie der Winter.

Denn am heutigen Tag hatte sie wieder so einen kleinen Papierstreifen in der Hand wie bereits im September letzten Jahres. Und wie letztes Mal zeigt er eine zarte, hauchdünne, kaum sichtbare aber doch vorhandene zweite Linie.

Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.

Demokrit

Schwierige Emotionen

Es gibt immer wieder diese Situationen, aufgrund derer wir uns manchmal tagelang aufregen, obwohl uns jemand nur für einen kurzen Moment bei unserem normalen Tagesablauf gestört hat. Sei es der Autofahrer, der uns die Vorfahrt genommen oder der Kollege, der die Arbeit vor seinem Urlaub einfach liegen gelassen hat. In solchen Momenten fällt es uns manchmal schwer innezuhalten und darüber nachzudenken, ob unsere Wut oder unser Ärger tatsächlich hilfreich sind. Wem schaden wir damit, wenn wir stundenlang über den Anderen nachdenken und gar nicht zur Ruhe kommen.

Wird der Autofahrer oder der Kollege damit bestraft, dass wir uns ärgern?

Vielleicht hilft es zu erkennen, dass Wut oder Ärger uns manchmal sogar ohnmächtig machen. Wir sind nicht mehr in der Lage klare Gedanken zu fassen. Wir haben keine Kontrolle mehr; der Tag ist umgangssprachlich „gelaufen“.

Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt.

Buddha

Und dann gibt es noch diese Situationen im Leben, in denen unsere Gefühle unkontrollierbar werden und wir diese nicht verarbeiten können. Wir beginnen damit unsere negativen Gefühle auf Andere, Unbeteiligte zu projizieren und werden im Laufe der Zeit immer wütender oder trauriger, auf uns, auf Andere, auf das Leben.

Verfangen wir uns in unseren Emotionen, erkennen wir die Auswirkungen unserer Handlungen nicht mehr.

Dalai Lama

Wie sehr schmerzt es ein Kind zu verlieren und wie sehr schmerzt es andere Eltern zu sehen, die ihr Kind gesund zur Welt bringen. Diese sogenannten Übertragungen werden vielfach unterschätzt. Den Anderen nicht beglückwünschen zu können ohne ein Gefühl der Eifersucht, der Wut oder der Schuld zu empfinden. Manchmal auch mit einem Hauch der Selbstverachtung. Enge Verbindungen zu Freunden und Bekannten mit Kindern können in solchen Fällen erblassen, während man sich selbst immer weiter zurückzieht.

Hilfreich ist es in diesen Momenten die eigenen Gefühle anzunehmen, sie zu verstehen und sie zu akzeptieren. Gefühle und Gedanken sind IN uns, aber sie machen uns nicht zu schlechten Menschen.

Wir SIND nicht unsere Gefühle und Gedanken.

Nova

Gemeinsam Trauern

“Gehe ich vor dir, dann weiß ich nicht,
ob ich dich auf den richtigen Weg bringe.
Gehst du vor mir, dann weiß ich nicht,
ob du mich auf den richtigen Weg bringst.
Gehe ich neben dir,
werden wir gemeinsam den richtigen Weg finden.”

Afrikanisches Sprichtwort

Trauer ist etwas ganz persönliches und oftmals verlieren sich in einer Partnerschaft die Wege während des Trauerprozesses. Was nur soll man machen, wenn der eigene Partner plötzlich um den Tod seiner Mutter oder seines besten Freundes trauert?

Besonders schwierig wird es, wenn beide Partner gleichzeitig trauern. Wenn Beide unterschiedlich trauern und dabei vom gemeinsamen Weg abkommen. Wenn Einer bereits weitergeht, während der Andere zurückbleibt. Wenn der Eine den Anderen blockiert oder beschuldigt.

Was bedeutet eigentlich Trauer? Trauer ist ein sehr starkes Gefühl. Wir trauern beispielsweise, wenn wir einen nahestehenden Mensch verlieren. Trauer kann allerdings bereits beginnen, wenn wir von einem bevorstehenden Verlust erfahren. Es gibt keine festen Regeln für die Trauer, sie kann Monate bis Jahre dauern.

Verlust und Trauer sind Weggefährten, die einander brauchen. Ein Verlust ohne Trauer hält die begleitenden Gefühle im Inneren; Verdrängung und Gefühle wie Wut, Schuld und im schlimmsten Fall ein Rückzug aus dem Leben bleiben präsent. Die Trauer wird nicht richtig zugelassen, eine Verarbeitung ist nicht möglich und die „normale“ Trauer kann sich zu einer pathologischen Trauer entwickeln.

Wieso trauert man bei einer Fehlgeburt? Bei einer Fehlgeburt hat der Verlust einen besonderen Charakter. Die Eltern trauern nicht um eine bestimmte Person, die sie bereits kannten. Vielmehr bezieht sich die Trauer auf den Verlust von zukünftigen Träumen, Vorstellungen und Visionen. Dieser Verlust kann genau so schwerwiegend und traumatisch sein, wie der Verlust eines geliebten Menschen.

Oftmals teilen die Partner die Träume und Vorstellungen: von einer kleinen Familie, von dem neuen Zuwachs, einem Baby. Umso wichtiger ist es, darüber zu reden, über die Ängste, die Schuldgefühle, über den Verlust der gemeinsamen Vision und gemeinsam zu trauern.

Denn nur dann ist der Weg gebahnt wieder von Neuem träumen zu können.

Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.

Marie von Ebner-Eschenbach